Die Idee meinen Sommerurlaub im Englischunterricht in Vancouver zu verbringen, tauchte recht überraschend auf. Ich hatte mir im Vorbeigehen einen iSt-Sprachreisekatalog geschnappt, weil da die Möglichkeit zur Erwachsenenfortbildung angeboten wurde. Den iSt-Katalog durchstöberte ich mit wachsender Begeisterung: Sydney, London, Vancouver, San Francisco und viele andere Städte zum Erlernen, Vertiefen oder Verbessern der englischen Sprache zu allen möglichen Zeitpunkten, Zeitspannen und für so ziemlich jedes Einstiegslevel und wünschte insgeheim, ich könnte an jeden dieser vielversprechenden Orte reisen. Aber vier Wochen ausnahmsweise-zusammenhängenden Sommerurlaubs reichten dafür einfach nicht aus. Also mußte eine Entscheidung her. Warum ich letztendlich elf Stunden nach Vancouver geflogen bin, hatte mehrere Gründe. Ob ich es bereut habe ? Nein, ganz im Gegenteil. Angekommen bin ich an einem Samstagabend im strömenden Regen mit meinem großen Rucksack und er und ich "kämpften" uns dann mittels öffentlicher Verkehrsmittel zur Unterkunft bei der kanadischen Gastfamilie durch. (Man kann es sich natürlich auch leichter machen und den Abholservice von iSt oder ein Taxi nutzen.) Empfangen wurde ich herzlich von bis dahin ja völlig fremden Menschen und überrascht wurde ich von der Anwesenheit einer zweiten gleichgesinnten jungen Frau aus Mexiko. Am folgenden Tag hatten sich die Regenwolken verzogen und ich nutzte den ganzen Tag, um einen ersten Eindruck von Vancouver zu bekommen, da ich schon am folgenden Montag zum Einstufungstest und anschließendem Unterricht in der Sprachschule erwartet wurde. Spätestens mit dem Klingeln im Klassenzimmer zu sein, war eine der festen Regeln dieser English Language School. Andernfalls durfte man draußen bleiben und verpasste diese Stunde, was hart, aber fair ist für alle, die pünktlich sind . (Zumal ja alle für den Unterricht bezahlt haben und etwas lernen möchten.) Da Vancouver beeindruckend viele Ablenkungen bietet und die Englischklassen stark gemischt sind, was die Nationalitäten sowie das Alter und damit die Prioritäten angeht, war die Pünktlichkeitsregel dieser Schule angebracht und jeder konnte so für sich selbst entscheiden, was ihm oder ihr wichtiger war. Weitere Regeln dieser Schule waren: das absolute Rauchverbot innerhalb des Schulgebäudes, das Gebot nur Englisch in den Klassenzimmern zu sprechen und keine Speisen und Getränke ( Ausnahme: Wasser ) in den Unterrichtsräumen zu verzehren. Nichts davon habe ich als unangemessen oder beeinträchtigend empfunden. Entschieden hatte ich mich für den Englisch-Intensiv-Kurs, was bedeutete: Unterricht von 9 bis 16.45 Uhr von Montag bis Donnerstag und von 9 bis 13.15 Uhr am Freitag. In den A+B Stunden, die am Vormittag stattfanden und bei denen auch Hausaufgaben anfielen, wurde auf sehr abwechslungsreiche Art und Weise Englisch unterrichtet, das im Schwierigkeitsgrad auf das am ersten Tag ermittelte Einstufungslevel abgestimmt war. Englisch Lernen konnte jeder beim Nachsprechen von Zungenbrechern, Textlesen, Hören aktueller Songs und Ausfüllen von Lückentexten, Rollenspielen, Diskussionen, bei denen man nebenbei seine Mitschüler besser kennenlernte, aber auch beim Ansehen eines Videofilms oder einer Fernsehserie zum Vermitteln von Idioms und von Umgangssprache. Langweilig wurde es mir nie. Beim Nichterledigen der Hausaufgaben wurde niemand ausgepeitscht. Sie dienten eher dem Festigen des Gelernten. Sie wurden auch nur auf Wunsch durchgegangen zumal das Übungsbuch einen Lösungsschlüssel besaß. Die Themen oder Schwerpunkte der C bzw. D classes am Nachmittag wurden individuell von jedem Schüler entsprechend seinen Wünschen aus einem großen Angebot ausgewählt. So gab es Konversationskurse, Idioms, kommunikatives Schreiben, Business English oder das selbständige Arbeiten am Computer mit verschiedensten Programmen, um sich individuell den eigenen Schwachstellen zu widmen oder um sich auf diverse mögliche Tests zur Überprüfung der eigenen Fertigkeiten (z.B. TOEFL) vorzubereiten. Sowohl bei der Entscheidungsfindung als auch beim Umgang mit den erwähnten Programmen wurde niemand allein gelassen. Außerdem war die Entscheidung für die Kursbelegung nicht unabänderlich, genauso wenig wie die Einstufung in ein bestimmtes Level. Es war jeder aufgefordert bei Unter- oder Überforderung ins schuleigene Büro zu gehen, um eine unproblematische und unbürokratische Veränderungen zu erwirken. Allerdings trafen die Einstufungen bei mindestens 95 % ins Schwarze. Die Pausen zwischen den A, B, C und D-classes vergingen beim Plaudern mit anderen Schülern oder auch Lehren, bei Kaffee und leckeren Backwaren, die extra jeden Morgen in die Schule gebracht wurden, im Computer/Internetpool oder Internetcafe im Erdgeschoß des Gebäudes oder im Freien mitten in Vancouver-Downtown wie im Flug. Jeden Freitag gab es einen kleinen Test mit 10 Fragen zum Stoff der vergangenen Woche. Vier Wochen widmeten sich jeweils einem Level. Hatte man viermal den Wochentest bestanden und nicht öfter als einmal pro Woche in der A+B class gefehlt, wurde man in das nächst höhere Level versetzt (insofern man solange Urlaub hat) und erhielt ein Zertifikat über das vollendete Level. Alle, die keine vier Wochen bleiben, bekommen einen anderen schriftlichen Nachweis über den Zeitraum und das besuchte Level am Ende des Aufenthalts bzw. per Post zugesandt. Das Freizeitangebot der Schule, was Neuankömmlingen persönlich vorgestellt wurde und auch am schwarzen Brett der Schule aushing, umfasst diverse Ausflüge in Vancouver und Umgebung, Kneipentreffs und sportliche Aktivitäten wie Segeln oder Raften. Schwieriger war es für mich Schule und Freizeit unter einen Hut zu bekommen. Aber auch da griff die Schule unterstützend ein. Alle Freizeitangebote begannen erst nach Schulschluß oder fanden am Wochenende statt. Allerdings hatte ich nach wenigen Tagen "den Dreh raus", hatte Stadt- und Fahrpläne dabei, ein Busticket gekauft, kannte Umsteigemöglichkeiten und bewegte mich wie ein alter Hase mit Bussen, Skytrain und Seabus (Fähre). Außerdem halfen die Gasteltern bei Fragen oder Unklarheiten und gaben mir manch nützlichen Tipp. Dadurch konnte ich auch Ausflüge auf eigene Faust wagen oder in kleineren Grüppchen, die sich schnell in der Schule bildeten. Die Verständigung war kein Problem, wenn man sich nur traut den Mund aufzumachen. Die anderen Schüler kämpften mit ähnlichen Problemchen und die Kanadier waren meiner Erfahrung nach deutlich geduldigere Zuhörer und freundlichere Antwortgeber als so mancher meiner deutschen Landsleute. Der Aufenthalt in meiner Gastfamilie war für mich persönlich ein großer Gewinn; besonders die beiden Kinder und meine mexikanische Mitbewohnerin. Das Frühstück wurde meist getrennt eingenommen je nach Schul- oder Arbeitsbeginn. Allerdings gab es ein gemeinsames Abendessen, insofern ich zur Essenszeit wieder zu Hause war. Ich wurde gebeten am Morgen bescheid zu sagen, ob ich zum Abendessen da sein würde oder anzurufen, wenn sich meine Pläne ändern sollten. Verpasste ich das gemeinsame Abendessen, mußte ich dennoch nicht hungrig ins Bett gehen, sondern konnte mir etwas vom übriggeblieben Abendbrot aufwärmen. Ob ich es wieder tun würde: Ja, jederzeit.